1992 - TFF ALS MITTLER ZWISCHEN OST UND WEST
Eigentlich war das TFF als 2jährliche Veranstaltung geplant wie die Rudolstädter Tanzfeste der 80er Jahre. Doch nach dem Erfolg des ersten neuen Festivals 1991 war klar: Um ein Ereignis von europäischer Dimension zu werden, musste das TFF jährlich stattfinden. Und nicht nur das, die Ausgabe 2 präsentierte zugleich die (nie wieder erreichte) Rekordzahl von gleich fünf Schwerpunkten:

MAGIE NACH STRICH UND BOGEN
Nachdem das Instrumenten-Special 1991 auf so überaus positive Resonanz gestossen war, lag nahe, daraus einen Dauer-Schwerpunkt zu machen. 1992 fiel die Wahl auf die Geige. In Europa ist sie, neben dem Klavier, das bedeutendste Instrument in der Klassik. Doch auch in der traditionellen Musik gibt es kaum ein zweites, dem weltweit eine so überragende Bedeutung zukommt. "Die vielseitige Mittlerstelle der Violine ist frappierend: zwischen Leben, Tod und Teufel, zwischen Gasthaus und Konzertsaal, zwischen Wald und Menschengestalt." (Jan Reichow, WDR).

Mit: Elka Atanasova (BLG), Hans W. Brimi (NOR), Zhao Cheng Wei (VRC), Matti Kontio (FIN), Gunnar Stubseid (NOR), Dave Swarbrick (GBR)

MUSIK, TANZ UND LIEDER AMERIKANISCHER INDIANER
Nach Meinung des indianischen Liedermachers Floyd Westerman hatten sogar die Indianer 1992 etwas zu feiern: die Tatsache nämlich, daß sie überhaupt 500 Jahre überlebt haben. 1492 landete ein Genueser namens Cristóbal Cólón an einer Insel namens Hispaniola. Es war der Beginn des größten Völkermordens der Menschheitsgeschichte. Es war der Beginn des Mittelalters, des ungezügelten Kapitalismus und der Beginn der psychischen wie physischen Übermacht des (weißen) Europäers über alles Fremde, Farbige, Andersartige. Das TFF 1992 unternahm den Versuch, im Jahr des Kolumbus auf die Opfer hinzuweisen, auf ihre Kultur und das, was sie uns heute zu sagen haben. Verbunden mit einem Schlenker zu den Sámi (= Lappen) Nordeuropas, den "europäischen Indianern".

Mit: Luis Rico y su Conjunto (BOL), Jones Benally Family (USA), Floyd Westerman (USA); special guests: Mari Boine (Sápmi), Inga Juuso (Sápmi)

20 JAHRE ALBION BAND & 25 JAHRE FAIRPORT CONVENTION
Folkrock in England− das ist an erster Stelle Fairport Convention. 1967 gegründet und immer noch aktiv. Dazwischen? Die Bandgeschichte zu erzählen, ist fast unmöglich. Robin Denselow resignierte: "Fairport Convention ist geschlagen mit einem ständigen Wechsel der Besetzung der Gruppe. Die Mitglieder kamen und gingen, Gründeten eigene Bands als Ableger und dann wieder Ableger der Ableger. Das wiederholte sich solange, bis die gesamte Folkrock-Szene auf die eine oder andere Art mit Fairport Convention verknüpft war." 1992 feierte Fairport Silberjubiläum, die Albion Band wurde auch schon stolze 20; und da sich Fairport-Geiger Ric Sanders zwischenzeitlich den Arm brach und so beim offiziellen Geburtstag in Cropredy (im August ´92) nicht mitfiedeln konnte, kann das TFF behaupten, als einziges den Geburtstag mit der aktuellen Besetzung gefeiert zu haben.

Mit: Fairport Convention, Albion (Dance) Band, Dave Swarbrick & Martin Carthy, Richard Thompson

WDR-FOLK-FESTIVAL GOES EAST
Folk und Weltmusik im Fernsehen − das ist ein ganz besonderes und vor allem ein ganz besonders trauriges Kapitel. Rühmliche Ausnahme: Das WDR-Folk-Festival. 1976 fand es das erstemal statt und war bis 1991 immer in NRW geblieben: meist in Köln, gelegentlich in Bonn, einmal in Aachen. Jetzt − im Zuge der Wiedervereinigung − ging, was vorher tabu war: Eine Rundfunkanstalt konnte sich frei außerhalb des eigenen Sendegebiets tummeln. Und konnte nicht nur, sondern sollte: Es gehörte zum Kulturauftrag, in Neufünfland präsent zu sein. Also strahlte der WDR zum ersten (und bislang einzigen) Mal sein Festival aus dem "Ausland" aus: am Freitag, dem 3.7.1992, live von der Heidecksburg zu Rudolstadt. Moderation: Bärbel Schäfer (damals noch öffentlich-rechtlich und mithin unzotig) und Josef Tratnik; Regie hatte der kurz darauf leider viel zu früh verstorbene Dieter Kremin.

Mit: Baba Yaga (GUS/HUN/GRB), Ira Bernstein (USA), Broadlahn (AUT), Teresa de Sio (ITA), Maria Krupowies (LIT), Okuta Percussion (NIG/AUS/GER) und als Deutschland-Premiere: Zap Mama (DRC/BEL)

PREMIERE DES DEUTSCHEN NACHWUCHS-FOLKPREISES
  • Baba Jam Band
  • Hagelschlag & Elfenreigen
  • Noks

Die Besucher, die professionellen wie die Fans, waren´s zufrieden. Ein Gast aus dem Westen hob einen besonderen Aspekt dieses deutsch-deutschen Events hervor: "für mich war der Besuch des TFF´92 der erste Aufenthalt in den neuen Bundesländern. Er hat mir viele Seiten und Probleme der Wiedervereinigung gezeigt und wohl mehr Verständnis hervorgebracht, als es die Medien bislang vermochten."

 

Baba Yaga

Floyd Westerman

Zap Mama

TFF.Publikum